Nächtlicher Blick vom Weinberg Zimmerling auf ein rundes Gebäude. Durch ein rundes Fenster dringt Licht. Davor eine Bronzestatue.
Dresden. Eine nachhaltige Spurensuche. Foto: Lothar Sprenger

Nachhaltige Begegnungen in Dresden

Dresden ist eine Stadt mit vielen Gesichtern. Prunkvolle Sandsteingebäude in der Altstadt, eine mit Graffitis verzierte Neustadt, dazwischen die Elbe, begleitet von großzügigen Ufern und  zahlreichen Schlössern. Eine nachhaltige Spurensuche in der Hauptstadt Sachsens.

Semperoper, Frauenkirche, Zwinger, Residenzschloss, Albertinum, zahlreiche Palais – die Dresdner Altstadt am linken Ufer der Elbe wirkt, als hätte Frau Holle Prunkbauten über diesen Teil Sachsens geschüttelt. Tatsächlich gehen viele dieser Bauten und Schlösser auf das Wirken dreier Kurfürsten zurück, allesamt mit dem Vornamen August. Dieser Name begleitet uns dann auf Schritt und Tritt, nicht nur bei unseren Erkundungsgängen in der Stadt, sondern bis ins hintere Erzgebirge. Dort betont man hinter vorgehaltener Hand, dass der Reichtum Dresdens ja eigentlich von hier stammt.

Blick über die Augustbücke und die Elbe auf die Altstadt Dresdens mit mehreren historischen Gebäuden. Auf der Elbe liegen Schiffe im Hafen.
Blick über die Augustbücke auf die Altstadt Dresdens. Foto: Sylvio Dittrich

Culture for Future

In vielen der Palais und Schlösser befinden sich bedeutende Kunstsammlungen. Seit einigen Jahren beschäftigen sich einige Kulturtreibende intensiv damit, wie der Museumsbetrieb nachhaltig gestaltet werden kann. „Es gibt zahlreiche Stellschrauben, an denen man bei einem so großen Betrieb drehen kann“, berichtet Thomas Geisler, eine treibende Kraft hinter der Entwicklung und Direktor des Kunstgewerbemuseums, das zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehört. „Das reicht von Kleinigkeiten wie dem papierfreien Büro über die Materialien, die zur Gestaltung der Ausstellungen verwendet werden, bis hin zur Mobilität. Öffentliche Anreisemöglichkeiten für die Besucher*innen, Kunstguttransporte und die Dienstreisen der Künstler*innen sind neben dem großen Thema Energiewende die wichtigsten Hebel für die CO2-Neutralität.“ Um die Nachhaltigkeit im Kunstsektor zu etablieren, hat Dresden das Programm „Culture for Future“ aufgesetzt, das eine umfassende Nachhaltigkeitstransformation des Kultursektors bewirken soll.

Nachhaltige Tischkultur

Von der Hochkultur spazieren wir zur Tischkultur. Im Taschenbergpalais im Fischrestaurant Kastenmeiers nehmen wir am Chef‘s Table Platz. Zwischen Restaurant und Küche platziert kann man den Köch*innen über die Schulter schauen und immer wieder einmal mit dem Chef plaudern. Zwischen den Gängen nimmt sich Gerd Kastenmeier, trotz des vollen Lokals, immer wieder kurz Zeit für uns. Aus Bayern kommt er, das hört man auch. Bis zum Hals sei er bereits Dresdner, nur seine Stimmbänder sind noch nicht hier angekommen – sein Akzent darf aber auch so bleiben, wie er ist. Von Bayern ist er ausgezogen, um „die Menschen glücklich zu machen“ – mit einer ehrlichen Küche für den guten Geschmack. In Berlin ist er auf den Fisch gestoßen und hat diesen in Dresden, wo es vor 20 Jahren noch kein Fischrestaurant gab, zur Perfektion gebracht.

Tisch direkt neben der Küche, wo die Speisen an die Kellner*innen ausgegeben werden. Eine Frau sitzt am Tisch, Gerd Kastenmeier schaut aus der Küche hervor.
Am Cheftable bei Gerd Kastenmeier. Foto: Christian Brandstätter

Für uns hat der Mann, der laut Gourmet-Magazin Feinschmecker das „beste Fischrestaurant Ostdeutschlands“ rockt, ein viergängiges Menü vorbereitet – mit einem gebackenen Karpfenfilet als Vorspeise und einer geräucherten Forelle als Hauptgang. Viele seiner Zutaten kommen aus der Region, manches lebt kurzzeitig sogar im Lokal. Über der Theke schwimmen Fische in einem Süß- und in einem Salzwasseraquarium. So manches kommt aber auch von ganz weit her. Auf seine Weinkarte ist er besonders stolz. Neben den Lieferanten von Elbweinen hat er seine „Spezis“, wie er seine Geschäftspartner liebevoll nennt, in halb Europa und bis nach Südafrika. An diesem Abend sollte er noch unzählige dieser Partner aufzählen und von deren geradem und ehrlichen Handwerk schwärmen. Das ist auch die Voraussetzung dafür, mit Kastenmeier ins Geschäft zu kommen, denn auf seine Lieferanten will er stolz sein.

Unsere Weinbegleitung kommt heute – so wie das Geschirr – aus dem nahegelegenen Meißen. Der Kellermeister im Weingut Schloss Proschwitz ist ein Freund und „Spezi“ von Kastenmeier. Er keltert einen Biowein – eine Mischung aus Riesling, Weißburgunder und Grauburgunder, speziell für sein Lokal. Passt perfekt zum Menü.

Am andern Ufer

Überquert man die Elbe über die Augustusbrücke, ist Dresden plötzlich eine ganz andere Stadt. Zuerst begrüßt uns noch unser Freund August in Form einer goldenen Reiterstatue am Neustädter Markt. Dahinter tauchen wir in ein sehr lebendiges städtisches Flair mit Straßenzügen aus der Gründerzeit, engen Gassen, kleinen Restaurants, Einkaufsläden, Bars und viel Kunsthandwerk. Ganz speziell sind die fünf phantasievoll gestalteten Hinterhöfe der Kunsthofpassage mit mehreren Werkstätten und Läden für Mode, Antiquitäten, Schmuck, Bücher und vieles mehr.

Jugendkultur manifestiert sich an den Hauswänden. Kein Meter, der nicht besprüht ist. Es soll sogar Hauseigentümer*innen geben, die Graffiti-Künstler*innen engagieren. Denn eines ist bei den Sprayer*innen Ehrensache: Sprühe niemals über ein Werk von anderen!

Kunstvoll bemalte Hauswände.
Street-Art-Graffiti am Scheune Club in der Neustadt. Foto: Christoph Münch

In einer schmalen Gasse gleich ums Eck bei der Lutherkirche versteckt sich ganz unscheinbar das Szenelokal Raskolnikoff. Wir stehen nächtens direkt vor dem Eingang und zweifeln immer noch, ob wir hier richtig sind. Drinnen erwarten uns ein kleiner Gastraum, eine Theke und wenige Tische, im Innenhof ein idyllischer Garten, der im Sommer voll mit jungen Leuten ist, die das Leben genießen. Genau das ist das Credo von Gastgeber Ralf Hiener: „Du musst den Leuten eine Freude bereiten. Und das geht nur über Beziehungen und einer Wertschätzung zwischen Gast und Gastgeber.“

In Hieners Restaurantkneipe, wie er das Lokal nennt, bekommt man städtische Landhausküche. Die aktuelle Teuerungswelle will er nicht mitmachen. „Ich fahre die Preise sogar runter, um das Leben hier zu erhalten, um die Gäste bei Laune zu halten. Wir müssen uns die Geselligkeit auch weiterhin leisten können.“ Damit sich das ausgeht, stellt er sein Programm um: mehr vegetarische Küche, das Fleisch wird zur Beilage. Neben Restaurant und Bar hat das Raskolnikoff auch eine Pension mit acht kleinen Zimmern.

Architektur, die Begegnung fördert

Im Norden der Stadt liegt die Gartenstadt Hellerau. Auf Initiative von Karl Schmidt, Gründer der Deutschen Werkstätten Hellerau, entstand hier ab 1908 eine der fortschrittlichsten Siedlungen des frühen 20. Jahrhunderts. Mehrere Architekten haben ihre Vorstellungen eines sozialen, gemeinschaftlichen Wohnbaus verwirklicht. Mit unterschiedlichen Stilrichtungen setzten sie wegweisende Impulse für einen ressourcenschonenden, kostengünstigen und standardisierten Wohnungsbau. Die Straße für Straße umgesetzten Konzepte fördern allesamt auch Begegnung und Gemeinschaft.

Ensemble von aneinender gebauten Häusern, rites Zieleldach, grüne Fensterläden, kleiner Vorgarten.
Straßenzug in der Gartenstadt Hellerau. Foto: Frank Exss

Das Festspielhaus Hellerau aus dem Jahr 1911, einst Hauptgebäude der „Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus“, gilt als ein Hauptwerk der Architektur des 20. Jahrhunderts. Heute steht die Gartenstadt zur Gänze unter Denkmalschutz. Eine Initiative bemüht sich um die Auszeichnung als UNESCO Weltkulturerbe.

Teil des Lebensreformprojekts Hellerau sind die Deutschen Werkstätten. Das Unternehmen gehörte um die Jahrhundertwende zu den bedeutendsten Herstellern von Möbeln nach Entwürfen von namhaften Künstler*innen und ist heute nach wie vor im Innenausbau tätig. Im Innenhof des historischen Unternehmensgebäudes, das wegen seines Grundrisses auch „Schraubzwinge“ genannt wird, lädt Schmidt’s Restaurant zu einer Rast nach einem spannenden Rundgang durch die Gartenstadt. Geschäftsführerin Jana Wittig setzt in ihrem Lokal ausschließlich auf regionale Produkte, ist Mitglied der Slow-food-Bewegung und von greentable, einer Initiative für Nachhaltigkeit in der Gastronomie.

Die grüne Metropole

Das ist jetzt keine politische Einordnung, sondern eine Verneigung vor den großzügigen, vielfältigen Grünflächen der Stadt. Alleen, Parks, Gärten – über 60 Prozent der Stadt sind Naturflächen. Dresden zählt damit zu den grünsten Städten Europas. Eine Besonderheit, die man nirgendwo anders sieht, sind die weiträumigen Wiesen entlang der Elbe. Über 30 Kilometer lang und bis zu 400 Meter breit säumt ein einzigartiger Grünstreifen den Fluss. Spaziergänge und Radtouren, ein Picknick oder Sonnenbad und zahlreiche Feste – die Elbwiesen sind bei Einheimischen und Gästen beliebt.

Tausende Leute sitzen in den Wiesen an der Elbe oder flanieren herum.
Dresdner Stadtfest am Elbufer. Foto: Sven Döring, Agentur Focus

Der Fluss ist auch ein Weg, um weiterzureisen: Mit dem Schiff geht es von der Dresdner Altstadt rund zehn Kilometer flussaufwärts zum Schloss Pillnitz, einst Sommerresidenz des sächsischen Königshauses. Heute beherbergt es unter anderem die Sammlung des Kunstgewerbemuseums mit über 60.000 Objekten, von Möbeln und Textilien über Musikinstrumente bis hin zu Uhren und einem Design Campus, der sich gerade dem Zusammenleben von Mensch und Natur widmet. Geöffnet ist die Schau von Mai bis Oktober. Zu Beginn der Saison zeigen sich die prächtigen Gartenanlagen in ihrem schönsten Kleid.

Schloss Pillnitz direkt an der Elbe vom Schiff aus fotografiert.
Mit dem Schiff zum Schloss Pillnitz. Foto: Sächsische Dampfschiffahrts-GmbH & Co. Conti Elbschiffahrts KG

Sächsische Backtradition

Das ist aber nicht das einzige, was ein Ausflug zum Schloss Pillnitz zu bieten hat. Als Andreas Wippler und seine Frau Doreen, Bäcker in mehr als 100-jähriger Familientradition, 2008 die Bäckerei vom Vater übernommen hatten, suchten sie nach einer neuen Bleibe – und fanden sie in einer ehemaligen Scheune vor dem Schloss. „Eigentlich war das ja eine Ruine, aber die Lage hat perfekt für uns gepasst. Wir wollten etwas mit Stil, wo wir unserem Handwerk nachgehen können, wo uns die Leute bei Führungen über die Schulter schauen können und wo wir auch Backseminare abhalten können.“ Das alles haben sie sehr stilvoll hinbekommen. Zusätzlich gibt es im Haus ein Bäckereimuseum (Besuch auf Anfrage) und ein gemütliches Café.

Eine Spezialität des Hauses ist die Dresdner Eierschecke. Auf einen Kuchenteig kommt eine dünne Schicht Topfen und darüber eine spezielle Masse aus Eiern und Pudding. Diese muss nach dem Backen noch schön fluffig sein. Und wenn man mit der flachen Tortengabel oben draufdrückt, soll sie so ganz leicht knistern. Wir selbst stehen beim Nachbacken gerade im Stadium von Versuch und Irrtum.

Rund um die Weihnachtszeit dreht sich alles um den Original Dresdner Christstollen. Er geht auf den Hofbäcker von August dem Starken zurück, der für seinen Herren zu Weihnachten etwas backen sollte, das wie ein in ein weißes Tuch gewickeltes Christkind aussieht. Heute ist das Traditionsgebäck eine bekannte Marke mit geschützter geografischer Herkunftsangabe und es gibt nur wenige Bäcker*innen, die diesen Stollen backen dürfen. Das Gütesiegel dafür müssen sie sich jedes Jahr neu verdienen.

Kunst trifft Wein

An den Südhängen hinter den Schlossgärten wird seit mehr als 600 Jahren Wein angebaut. Gleich anschließend an den königlichen Weinberg liegt das Weingut von Klaus Zimmerling, das er seit mehr als 30 Jahren biologisch bewirtschaftet. Gelernt hat der gebürtige Ostdeutsche den Bioweinbau in Österreich – im Nikolaihof bei Christine Saahs. Seine Frau Malgorzata Chodakowska stammt aus Polen und studierte in Wien an der Akademie der Bildenden Künste. Gemeinsam haben sie am südöstlichen Rand von Dresden einen magischen Ort aufgebaut. „Mit dieser Frau an der Seite kann man seine Träume leben“, sagt Klaus über Malgorzata. Und das spürt man mit jedem Schritt durch den Weinberg. Die Künstlerin verzaubert den steilen, pyramidenförmigen Hang nicht nur mit den Wasserspielen ihrer Bronzeskulpturen, sondern auch mit einem Meer aus tausenden Blumen zu einer beeindruckenden Symbiose aus Wein und Kunst.

Bronzefigur im Weinberg. Der Fächer ist zugleich ein Springbrunnen, aus dem Wasser läuft.
Weingut Zimmerling. Eine Symbiose aus Natur und Kultur. Foto: Lothar Sprenger

„Für Klaus und Malgorzata ist das hier ein Ort der Begegnung mit Kultur und Natur, aber kein Ort für den Massentourismus“, erzählt Assistentin und Sommelière Kerstin Bernardi. „Jede Besucherin und jeder Besucher soll den besonderen Spirit der Anlage erleben können.“ Kellermeister Pius Lange führt uns durch den Weinberg, erzählt von der harten Arbeit auf den steilen Terrassen und weiht uns in ein paar Geheimnisse des biologischen Weinbaus ein. Ganz oben am Weinberg angelangt hat man dann einen wunderbaren Weitblick – von der Stadt Dresden bis zu den Tafelbergen der Sächsischen Schweiz.

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Autor*innen: Christian Brandstätter, Roswitha Reisinger

Der Besuch in Dresden erfolgte auf Einladung der Deutschen Zentrale für Tourismus und der Dresden Marketing GmbH.

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zuletzt geändert am 06.11.2024

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