Wexl-Arena am Abend mit Flutlicht. Viele Leute tummeln sich im Schnee.
Foto: Wexl Arena St. Corona am Wechsel.

Schnee von gestern

Kunstschneebänder inmitten von braunen oder grünen Hängen. Längst wissen wir, dass sich viele Skigebiete in den kommenden Jahrzehnten auf immer weniger Schnee einstellen müssen. Welche Folgen hat das für die Regionen?

Noch vor gut zehn Jahren gab es in St. Corona am Wechsel ein kleines Skigebiet. Direkt im Ortszentrum befand sich die Talstation. Von dort führte der einzige Sessellift zur Bergstation, außerdem gab es drei Schlepplifte. Eine Sommerrodelbahn verlief von der Mittelstation des Sessellifts zur Talstation. Schneearme Winter und hohe Temperaturen hatten dem Skigebiet schon länger zu schaffen gemacht. Auch wegen fehlender Investitionen in den Jahrzehnten davor lagen die Optionen klar auf dem Tisch: Rückbau oder ein riesiges Investment.

Im Frühjahr 2014 zog das Land Niederösterreich als Eigentümer die Reißleine, da der Betrieb aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr zu rechtfertigen war. Der Liftbetrieb wurde eingestellt, die Anlagen bis auf Schlepp- und Tellerlift abgetragen – sehr zum Missfallen der ortsansässigen Bevölkerung. „Die Einheimischen hätten das Gewohnte natürlich gerne behalten. Diese Reaktion kommt oft daher, dass man sich unter dem Neuen, das kommt, noch nichts vorstellen kann“, erinnert sich Karl Morgenbesser, Geschäftsführer der Wexlarena. Wie viele Kinder aus der Umgebung sowie aus den Großräumen Wien und Graz hatte auch er vor vielen Jahren das Skifahren auf den Pisten von St. Corona erlernt.

Eine Tür schließt sich, eine andere geht auf

Nach dem Abbau der Lifte im oberen Teil des Skigebiets herrschte erst einmal Katerstimmung. Dann aber wurde gemeinsam daran getüftelt, wie der Tourismus ganzjährig als wichtiger Teil der regionalen Wertschöpfung etabliert werden könnte. „Umsatztechnisch benötigen wir auch den Sommerbetrieb, damit wir die Arbeitskräfte ganzjährig halten können. Es ist schwierig bis unmöglich, nur für den Winter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, egal ob in der Skischule, im Verleih oder beim Schlepp- und Tellerlift“, sagt Morgenbesser.

Heute ist St. Corona am Wechsel ein beliebtes Freizeitgebiet, das sich in erster Linie an Familien richtet, die ein niederschwelliges Sport- und Bewegungsangebot suchen. Neben vielen Tagestouristen bleiben manche Gäste auch wieder länger. Nachdem die durchschnittliche Nächtigungsdauer von acht Nächten in den 1980ern auf drei Tage in den 2010ern gesunken war, hat sie sich durch maßgeschneiderte Angebote heute bei rund sieben Tagen eingependelt.

Winter am Wechsel

„Wir können beispielsweise, was die Pistenkilometer betrifft, überhaupt nicht mit großen Skigebieten mithalten. Dafür ist das meist künstlich beschneite Familienskiland in St. Corona mit seinen eher flachen Pisten und einfachen Liften ideal, um das Skifahren zu erlernen, um wieder anzufangen und sich stetig zu verbessern. Neben Familien mit Kindern und Anfänger*innen haben auch Senior*innen das Skigebiet für sich entdeckt“, fasst der Geschäftsführer das Besondere des Gebiets zusammen. Dazu gibt es eine Rodelbahn, eine Rodelwiese sowie eine angrenzende Gastrozone zum Verschnaufen. Von da aus haben die Eltern stets ihre Kinder im Blick, die recht schnell selbstorganisiert mit den Liften fahren.

„Was wir zuerst als Nachteil empfunden haben, nämlich die kleine Struktur, die eher flachen Pisten, hat sich als großer Vorteil herausgestellt“, freut sich Morgenbesser. Wer gerne langläuft oder mit Schneeschuhen wandert, hat in den höheren und damit schneesichereren Lagen rings von St. Corona Gelegenheit dazu.

Der Klimawandel und seine Folgen

Der wirtschaftliche Leidensdruck und die Folgen der Klimakrise haben in St. Corona also zur touristischen Neuausrichtung geführt. Diesem Beispiel dürften in den kommenden Jahrzehnten noch viele Wintersportdestinationen folgen. Expert*innen sind sich einig, dass insbesondere Skigebiete bis 1.500 Meter Seehöhe früher oder später schließen müssen. Denn gab es in den Skigebieten der Alpen zwischen 1981 und 2010 pro Jahr noch um die 218 Schneetage, liegt dieser Wert mittlerweile bei 187. Bis 2100 könnten durchschnittlich nur mehr 137 Tage mit natürlicher Schneedecke übrigbleiben. Konkret werden die Schneetage in Österreich um rund 40 Prozent zurückgehen. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam rund um Sportwissenschafterin Veronika Mitterwallner und Biogeografin Anna Walentowitz.

Die Forscher*innen befürchten, dass sich Skigebiete dann in höhere Lagen oder schwach besiedelte Gebiete ausbreiten. Ein Problem, weil auch Tiere und Pflanzen, denen es in niedrigen Lagen zu warm wird oder die dort keinen Lebensraum mehr vorfinden, dorthin ausweichen. Das macht viele Arten noch verletzlicher und erfordert bereits jetzt eine hohe Sensibilität, wenn man Wintersport und Naturschutz unter einen Hut bringen will.

Viele Bergsportgebiete ergreifen bereits Lenkungsmaßnahmen. So werden im Westen Österreichs beispielsweise im Rahmen der Initiative „Naturverträglicher Bergsport im Montafon“ bestehende Interessenkonflikte zwischen den Bereichen Jagd, Forst, Tourismus und Naturschutz entschärft und tragbare Lösungen für Wild, Wald und Wintersport gesucht. Egal ob im Osten oder Westen Österreichs, ob in großen oder kleinen Skigebieten: Das Miteinander-Reden ist der Schlüssel zum erfolgreichen Umgang mit Veränderungen im Allgemeinen sowie der touristischen Neuausrichtung von Bergsportgebieten infolge des Klimawandels.

Auch andere Werte zählen

„Wintersportgebiete müssen nicht immer etwas Gigantisches hervorbringen, um erfolgreich zu sein. Der Gast schätzt auch andere Werte.“ Dazu gehört nach Morgenbesser, dass bereits jetzt ein großer Teil des Betriebs – wie übrigens in vielen österreichischen Wintersportgebieten – mit erneuerbaren Energien erfolgt. Ziel ist es, energieautark zu werden. Als nächster Schritt wird der überdachte Parkplatz mit Photovoltaik-Platten bestückt.

Ein großer Brocken in der CO2-Bilanz bleibt freilich die An- und Abreise der Gäste in die Wintersportgebiete, denn die erfolgt – auch in St. Corona – hauptsächlich mit dem Auto. „Wir haben bereits versucht, eine stärkere öffentliche Verbindung von Wien nach Aspang zu bekommen, jedoch nehmen manche Züge keine oder nur eine bestimmte Zahl an Bikes mit. Wir werden aber auf jeden Fall dranbleiben und weitere Gespräche führen“, erklärt Morgenbesser. Auch eine bedarfsorientierte Abholung mit dem Bus in Aspang soll gestärkt werden.

Mindset der Gäste

Als einzelnes Unternehmen könne man den Klimawandel nicht gänzlich verhindern, aber immerhin den Betrieb und auch die Angebote anpassen, ist sich Morgenbesser seiner unternehmerischen Verantwortung bewusst.

Besonders stolz ist er darauf, dass St. Corona das erste Freizeitgebiet weltweit ist, das ein Skigebiet, ein Bikecenter mit Bikelift, einen Motorikpark und eine Sommerrodelbahn parallel betreibt: „Wenn wir wegen der Temperaturen einmal nicht beschneien können, können unsere Gäste immer noch die ‚Sommerangebote‘ nutzen. Ganz egal welche Rahmenbedingungen, es wird auf jeden Fall ein lässiges Erlebnis bei uns.“

Morgenbesser glaubt daran, dass ein schöner, sinnstiftender Winterurlaub auch in Zukunft möglich ist – wenn auch vielleicht nicht mehr so, wie wir es gewohnt sind: „So wie sich Tourismus und Wirtschaft an die sich ändernden Rahmenbedingungen anpassen müssen, wird sich auch das Mindset der Gäste an die Realität anpassen.“

Autorin: Regina M. Unterguggenberger

Anreise

Mit dem Zug nach Wr. Neustadt und von dort weiter nach Aspang Markt. Danach mit dem Bus bis St. Corona am Wechsel.

TIPP: Mit der Mobilitäts-App wegfinder findest du alle Angebote für deine An- und Rückreise und kannst diese auch gleich buchen. Neben Zügen und Bussen zeigt dir die App auch das vorhandene Leih-Angebot an Autos, Fahrrädern und E-Scootern sowie regionale Taxiunternehmen für die Fahrt vom Bahnhof / von der Bushaltestelle zum gebuchten Quartier.


 

Zum Weiterlesen

ISPO - das globale Ökosystem des Sports: Wie kann der Klima-Turnaround gelingen?

Österreichische Akademie der Wissenschaften: Für Skigebiete bis 1500 Meter wird es eng.

Forschungsartikel von Veronika Mitterwallner, Manuel Steinbauer, Gregor Mathes, Anna Walentowitz: Weltweite Reduzierung der Schneedecke in Skigebieten im Klimawandel

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zuletzt geändert am 17.09.2024

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