Sudan - zu den Pyramiden der schwarzen Pharaonen
Der Sudan, einer der größten und geheimnisvollsten Staaten Afrikas, erstreckt sich von der Nubischen Wüste im Norden bis zum äquatorialen Regenwald mit den Nilquellen im Süden. Kunstvolle Pyramiden und Tempelanlagen sind Zeugnisse vom einstigen Glanz einer untergegangenen großen Kultur.
Khartum, die Hauptstadt des Sudan, begrüßt uns zwar mit modernen Glaspalästen, im Umfeld werden die Felder jedoch wie vor Jahrhunderten bearbeitet. Besonders empfiehlt sich ein Besuch im Nationalmuseum, das über eine großartige antike und frühchristliche Sammlung verfügt. Unter anderem wurden drei altägyptische Tempel, die dem Assuan-Staudamm weichen mussten, gerettet und im Garten wieder aufgebaut. Herausragende Fresken aus den drei frühchristlichen Königreichen sind im Obergeschoß zu bewundern.
Kerma und der dritte Nilkatarakt
Ein starker Sandsturm begleitet uns Richtung Norden, auf der gut ausgebauten Fernstraße folgen wir der Geschichte des Landes von der ersten Hochblüte im Reich Kusch bis zu den großartigen Bauten von Meröe. Um 2000 v.Chr. schüttelte das Reich Kusch die ägyptische Vorherrschaft ab. Die sich dann entwickelnde Kerma-Kultur errichtete bereits Städte mit gewaltigen Ziegelbauten, sog. Defuffa. Der große Archäologe Lepsius legte in Kerma eine ausgedehnte Handelsstadt mit fast 20 m hohen Türmen frei. Der Granit für die Statuen in den Tempelanlagen stammt aus dem nahegelegenen Steinbruch von Tombos. Rings herum erstreckt sich auf einer Länge von 25 – 30 km der 3. Nilkatarakt. Durch vulkanische Aktivität westlich des Nils waren über die Jahrmillionen kleinere und größere Inseln sowie Stromschnellen im Fluss entstanden, die ein Weiterkommen mit Schiffen flussauf- und -abwärts unmöglich machten. Dieses Nadelöhr hielt einfallende ägyptische Heere ab. Landschaftlich ist der Katarakt durch die abgerundeten Granitmonolithe und die Inselchen im Nil von herausragender Schönheit.
Nubische Dörfer und Kirchen von Alt-Dongola
Nil südwärts erwarten uns goldene Sanddünen und Palmenhaine, darin die mit bunten Wandmalereien verzierten Dörfer der nubischen Bevölkerung. Die Besitzer sind nicht nur stolz auf ihre Häuser, sondern auch gastfreundlich. In einem schön bemalten Haus werden wir umgehend zu Kaffee eingeladen. Die Hausfrau röstet die Kaffeebohnen, die jungen Mädchen stampfen den Kaffee im Mörser, dann wird der Kaffee auf sudanesische Art mit einem Hauch Ingwer gebrüht. Hier wird zusätzlich zum Arabischen noch die alte nubische Sprache gepflegt. In Alt-Dongola, der ehemaligen Hauptstadt des christlichen Königreichs Makuriya, finden wir die Überreste einer einstmals blühenden Handelsstadt, Kirchen, Festungsanlagen und den alten Königspalast.
Jebel Barkal – der nubische Olymp
Ostwärts, dem Nil folgend, geht es weiter nach Karima. Der rote Tafelberg Jebel Barkal, der heilige Berg, war Sitz der ägyptischen Götter, Stätte der Regentschaft der nubischen Könige und Orientierungspunkt für Karawanen. Am Fuß des Jebel Barkal erstrecken sich weite Siedlungsspuren, aber auch zahlreiche Reste von Tempelanlagen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Nur zwei Säulen erinnern an den äußeren Teil des Hathor-Tempels, erstklassig erhalten sind die farbenprächtigen, frisch renovierten Reliefs in den Sälen, die Pharao Taharqa in den Berg hineinbauen ließ. Aus der weitaus späteren meroitischen Zeit stammen die zahlreichen spitzen Pyramiden, die auf einem Plateau nahe dem Jebel Barkal errichtet wurden und den Sonnenuntergang zu einem Erlebnis machen.
Bayuda-Wüste
Zwischen dem 4. und 6. Nilkatarakt erstreckt sich innerhalb der Nilschleife die Bayuda-Wüste - schwarze bizarr geformte Basaltfelsen wechseln mit Wadis mit minimaler Vegetation und Dorca-Gazellen ab. Ein einzigartiges Erlebnis bietet das Wadi Abu Dom mit seinen Nomaden und archaischen Brunnen. Nomadische Hirten tränken hier große Herden von Kamelen, Schafen und Ziegen. Frauen und Männer füllen Kanister und Ledersäcke mit dem kostbaren Wasser, das von Eseln mit einem Ledersack aus dem tiefen Brunnenschacht heraufgezogen wird.
Königliche Stadt und Nekropole von Meröe
Kein einziges Bild aus dem Sudan hat sich über die Jahrhunderte stärker eingeprägt: Dicht gedrängt erheben sich – fast wie eine Fata Morgana - 40 mehr oder weniger gut erhaltene Pyramiden auf einem Plateau inmitten der Wüste östlich des Nils. Durch den Kontakt mit den aggressiven, aber kulturell hochstehenden Ägyptern gewannen die Bewohner von Kusch zusehends selbst kulturelles Profil. Zudem wurde Meröe zur Drehscheibe des Handels zwischen Mittelmeer und Ostafrika. Karawanen brachten edle Hölzer, Öle, Elfenbein und Straußenfedern nilabwärts. Dank ägyptischer Handwerker umgaben sich auch die schwarzen Fürsten mit einzigartigen Bauten. So entstanden die Pyramiden und die Königsstadt von Meröe, ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe.
Am Morgen sind wir hier die einzigen Besucher weit und breit. Allein die Vorstellung, dass man sich ohne Touristenmassen frei in einer einzigartigen archäologischen Stätte bewegen darf, löst Glücksgefühle aus. Erst am Nachmittag kommen ein paar einheimische Touristen zum Pyramidenplateau. Aber nicht nur die Pyramiden zwischen den Sanddünen und Felsen sind sehenswert, sondern auch die königliche Stadt mit dem Sonnentempel und den reich verzierten königlichen Bädern.
Autorin: Elisabeth Kneissl-Neumayer
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zuletzt geändert am 10.04.2022