Das „andere“ Kremstal
Jürgen Schmücking schwärmt von Seekuh, Krünzeug und Weihrauchschokolade.
Das oberösterreichische Kremstal kennt man entweder von der Phyrnautobahn – am Weg von Oberösterreich in die Steiermark – oder vom Winterurlaub in Windischgarsten. Dabei ist in der Region auch kulinarisch einiges los. Und ein paar Bio-Betriebe geben dort gerade ordentlich Gas. Wir haben uns im Tal umgehört.
Man kennt ihn aus dem Fernsehen. Heinz Schmeissl, der Fleischhauer vom Gleinkersee, ist ein Schlüsselspieler in der Region. Und eine Legende. Das war er allerdings auch schon, bevor die Serie „Ochs im Glas“ ausgestrahlt wurde. Früher war er Fleischhauer in Bad Aussee und seine Produkte waren – im wahren Wortsinn – immer schon ausgezeichnet. Dann holten ihn Gunda und Klaus Dutzler nach Oberösterreich, an den Gleinkersee. Die beiden betreiben dort den Seebauer, mittlerweile ein legendäres Bio-Wirtshaus am See. Womit wir gleich bei der ersten Empfehlung wären. Das Gasthaus Seebauer und der dazugehörige Gleinkersee. Oder umgekehrt.
Zum Seebauer gehört auch eine Bio-Landwirtschaft. Aus der „Gleinkersau“, das sind biogefütterte Schweine der Rassen Schwäbisch-Hällisch, Duroc, Mangalitza und Turopolje, wird neben Speck und Wurst im Wirtshaus ein großartiger Schweinsbraten gemacht. So großartig, dass schon so manche Vegetarierin und so mancher Vegetarier schwach wurde. Und nachdem Heinz Schmeissl ein überzeugter Ganztierverwerter und Wurstprofi ist, gibt es auch – zum Mitnehmen – Blut- und Leberwurst.
Rinder (als „Seekuh“ vermarktet) gibt es in den Varianten Angus, Galloway und Pustertaler Sprinzen. Was nicht im Wirtshaus im Rohr landet, kommt ins Glas oder wird als Frischfleisch verkauft. Am besten Sie erkundigen sich, wann die nächste Schlachtung stattfindet, warten circa vier Wochen (so lange lässt Heinz Schmeissl das Fleisch reifen) und vereinbaren dann einen Abholtermin am Bio-Markt. Standardmäßig werden Fünf- oder Zehn-Kilo-Boxen angeboten. Der Inhalt ist bunt gemischt: Faschiertes, Knochen, Schulterscherzel, Tafelspitz. Wer spezielle Teile oder „cuts“ (Herzzapfen, Backerl, Hochrippe, Porterhouse etc.) haben will, meldet sich einfach rechtzeitig. Die zweite Möglichkeit: Zehn bis 15 Freunde zusammentrommeln und beim Seebauer anrufen: „Wir wären genug für einen Ochsen.“ Klaus und Heinz erledigen den Rest. Die Kosten liegen bei 15 Euro pro Kilo. Ein Mischpreis. Nicht wundern, wenn Jon Snow draufsteht, denn die Tiere aus der Seekuh-Herde haben Namen aus dem Game-of-Thrones-Universum. Mein letztes Paket kam von Cameron – nach dem Bühnenbildner der Serie. Das Gulasch von seinem Wadschinken war großartig.
„Bio ist für uns die Basis von Qualität“
Was sie bewegt und motiviert, bringen die Dutzlers auf den Punkt: „Es war klar, dass wir nur ein Gasthaus führen wollen, in das wir auch selber gerne gehen würden. Die Qualität von Lebensmitteln war uns immer schon ein großes Anliegen. Besonders die Frage, wie Fleisch produziert wird. Darum halten wir Schweine, Rinder, haben eine eigene Fleischhauerei eingerichtet und einen Fleischhauer bei uns angestellt. Bio ist für uns die Basis von Qualität. Es geht um die Wertschätzung von bäuerlicher Arbeit, um die Wertschätzung regionaler Betriebe, die bewusst Wege abseits der in der Gastronomie üblichen Massenproduktion gehen.“
Der Seebauer und der Gleinkersee sind somit das ideale Basislager, um das oberösterreichische Kremstal zu entdecken. Kulinarisch ist man auf der sicheren Seite, der See selbst ist landschaftlich atemberaubend und es gibt einen Campingplatz, auf dem man seine Zelte aufstellen kann. Wem das Zelt zu abenteuerlich ist, der kann ruhigen Gewissens auf einem der zahlreichen Bio-Höfe in der Region übernachten. Da sei – nur als Beispiel – der Ferienhof Kreilgut von Simone Reiter und Stefan Redtenbacher genannt. Deshalb das Kreilgut, weil er in Roßleithen, nur wenige Kilometer vom Seebauer entfernt, liegt und die Dutzlers mit Bio-Most versorgt. Es ist ein familiengeführter Betrieb, inmitten der Natur (und mit phänomenalem Bergblick). Kulinarisch ist man am Kreilgut rundum versorgt: Edelbrände, Moste, Käse, Obst, Rohmilch, diverse Tees und Essige. Und Fleisch von Charolais-Rindern.
Bio Bäckerei reloaded
Eines der innovativsten Projekte der Region heißt „Hafner zu Wanzbach“ – obwohl der Name bereits seit Generationen für ökologische Landwirtschaft und regionale Wurzeln steht. Aus dem hofeigenem Bio-Getreide wurde in der integrierten Backstube am Hof Handgebäck hergestellt und anschließend auf regionalen Bauernmärkten sowie in verschiedenen regionalen Foodcoops verkauft. Im Herbst 2016 musste der Backbetrieb der Familie Hoffmann wegen extremer Arbeitsüberlastung stillgelegt werden. Nach erfolgloser Nachfolgersuche fand sich eine kleine Gruppe von Personen, die einen Weg für die nachhaltige Weiterführung des Bäckereibetriebes finden wollten. Das haben sie mit ihrem kreativen und innovativen Betreiberkonzept, bei dem von jungen Landwirt*innen oder Produzent*innen nicht gleich der ganze Hof oder Betrieb übernommen werden muss, sondern nur kleinere Einheiten davon, geschafft.
Hafner zu Wanzbach zählt heute zu den spannendsten Bio-Bäckereien des Landes. Zur Backstube gehört auch eine Mühle, aus den eigenen Bio-Ackerflächen werden Brot, Gebäck, Trockenwaren und Nudeln hergestellt. Bekannt ist die Bäckerei vor allem für ihr hefereduziertes Dinkel- und Roggengebäck. Der Betrieb kann natürlich auch besucht werden. Andreas Hoffmann ist ein leidenschaftlicher Biobauer und Erzähler. Gespräche mit ihm sind spannend, lehrreich und ausgesprochen lustig.
Krünzeug ohne Tippfehler
Manche landwirtschaftlichen Flächen, die zu Hafner zu Wanzbach gehören, werden verpachtet und von jungen, motivierten Teams bewirtschaftet. Von den Gemüseyoungsters von Krünzeug zum Beispiel. Kein Tippfehler: „Von Gemüseteam, über grün und bunt und Kremüse sind wir auf Grünzeug gestoßen. Da es bereits viel Grünzeug gibt und wir doch Grünzeug im Kremstal anbauen, haben wir das G gegen das K vom Kremstal getauscht. Nun heißen wir Krünzeug, Kremstaler Biogemüse.“
Im Freiland und im Folientunnel versorgen die jungen Gemüsebauern die Region Kremstal mit allem, was gut und selten ist: Asiasalate, Knoblauch, Mangold, Vogerlsalat, Physalis oder Luffagurken. Sogar mit Okraschoten wird herumprobiert und nach dem idealen Erntezeitpunkt gesucht. Man kann sie auch besuchen und sich ein Bild vom Gemüseacker und den Folientunneln machen. Einfach vorher anrufen und einen Termin vereinbaren.
Zwei weitere Fixpunkte einer kulinarischen Kremstal-Tour sind das Stift Schlierbach mit seinem Genusszentrum und der Schaukäserei sowie die Bachhalm Café Konditorei Confiserie von Mâitre Chocolatier Johannes Bachhalm in Kirchdorf. Dass er eine Weihrauch-Schokolade für den Papst kreiert hat, ist kein Hindernis, seine süßen und sündigen Verführungen zu genießen.
Autor: Jürgen Schmücking
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zuletzt geändert am 05.04.2024