Der Reiz der Hügel und Vulkane
Jürgen Schmücking schwärmt aus und entdeckt die Genüsse der Süd- und Südoststeiermark.
Vor über 20 Jahren haben sich ein paar steirische Winzer Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre jungen, frischen und fruchtbetonten Weine unter einen gemeinsamen Begriff stellen könnten. Über eine Million Flaschen werden davon jährlich verkauft. Als „steirisch-klassisch“ gelten heute blitzsaubere Weißweine aus dem Stahltank, mit kräftiger Säure und intensiven Fruchtnoten.
Genauso stellen sich Konsumenten steirische Weine vor. Aber irgendwie leben wir in Zeiten, in denen die Veränderung die einzige Konstante ist, und so kommt es, dass in allen drei Weinbauregionen der Steiermark Winzer mit völlig neuartigen Weinen auftauchen. Zwei davon möchte ich mir etwas genauer anschauen: das Weingut Ploder-Rosenberg in der Südost-Steiermark und das Weingut Alice und Roland Tauss in der Südsteiermark. Beides sind Bio-Betriebe, beide haben ihren ganz eigenen Stil entwickelt und beiden lohnt es, einen Besuch abzustatten.
Beginnen wir in der Südsteiermark, die ganz gerne als die „Toskana Österreichs“ bezeichnet. Der Vergleich trifft aber nur bei oberflächlicher Betrachtung zu. Stimmt schon, die sanften Hügel, das Spiel der Sonne, alles passiert eine Spur langsamer. Trotzdem. Die Weinberge um Leibniz, Leutschach und Ehrenhausen haben viel mehr. Steillagen etwa, die ihren Namen wirklich verdienen. Oder Opok, den einzigartigen, harten Sedimentgesteinsboden, der bei den Weinen für prickelnde Mineralik sorgt. Mitten drin finden wir den Betrieb von Alice und Roland Tauss. Die beiden betreiben ein biodynamisches Weingut. Die interessante Philosophie von Roland Tauss: „Für mich ist der Wein eine Form der Transformation des Lebens. Es geht mir um die Lebendigkeit, um die Echtheit der Weine.“ Diese Lebendigkeit hat ihren Ursprung im Boden. „Erde pur“ ist der kleinste gemeinsame Nenner der Tauss-Weine. Und beschreibt sie so präzise wie Ockhams Rasiermesser. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, kann das am Betrieb gleich über ein paar Tage probieren. Alice und Roland Tauss bieten auch Winzerzimmer an. 100 Prozent bio und an Charme und Individualität nicht zu überbieten.
Ein paar Kilometer weiter östlich (und damit bereits in der Südoststeiermark) finden wir das biodynamische Weingut der Familie Ploder-Rosenberg. Genauer gesagt in St. Peter am Ottersbach. Mit seinem „Wein von Ploder-Rosenberg“ gehört Fredi Ploder seit langem zum Kreis der steirischen Spitzenwinzer. Der dunkle, dichte und extrem rauchige Linea Pinot Gris gehört für mich persönlich zu den herausragendsten Vertretern der Rebsorte, der eng gewobene Linea Sauvignon Blanc versprüht Energie und Lebendigkeit wie der Vulkan, der einst die Gegend charakterisierte. Die Klassik-Linie ist seit der Ernte 2011 voll bio-zertifiziert. Die Weine dieser Linie sind spritzig, fruchtig und sortenrein. Besonders gelingt den Ploders immer wieder der Gelbe Muskateller: Extrem filigran, trocken, ausgewogen, frische Wasserminze und exotische Blüten. Ein zauberhafter Aperitif. In jüngster Zeit machen Vater & Sohn, Manuel und Fredi Ploder etwas Außergewöhnliches mit ihren Muskatellertrauben. Sie werden samt Maische vergoren und kommen mit anderen Aromasorten in eine Tonamphore im Weingarten. Der Wein heißt dann Aero und ist eine Zierde seiner Art.
Geografisch gehören die Ploders zum Vulkanland. Untrennbar mit diesem verbunden ist die Vulkanland Braumanufaktur, auch unter dem griffigeren Namen Lava Bräu bekannt. Die Biere von Lava Bräu sind mittlerweile eine Institution im Süden. In kleinen Flaschen gibt es nur das Lava Bräu West, ein kristallklares Pils mit hopfenduftiger Note und angenehmen Trinkfluß. Hin und wieder (und auf spezielle Anfrage) wird auch das tiefdunkle Lava Bräu Nord gebraut. Die richtig großen Biere der Brauerei kommen aber – standesgemäß – in großen Flaschen daher. Ein herb-filigranes „Luna“, ein würzig-röstmalziges „Rossa“ und ein dunkler Kraftlackel von einem Bock, der jeden Rotwein locker vom Griller fegt. Die Brauerei brennt auch, und weil Bier und Whisky ungleiche Brüder sind, natürlich Whisky. Bio-Whisky von der allerfeinsten Sorte. Hinfahren, Führungen machen, kosten und & genießen.
Wer danach (oder auch davor) das Bedürfnis nach Stärkung spürt, sollte sich in einem der zahllosen Buschenschanken Käferbohnensalat mit Kernöl bestellen. Beides sind – von der ‚steirischen Fruchtfolge Mais – Sterzba(u)m – Kukuruz’ einmal abgesehen – die steirischsten aller kulinarischen Nutzpflanzen, und so ein kernölveredelter Käferbohnensalat sollte bei einer Süd- und Südoststeiermarktour ganz oben auf der Bucket-List stehen.
Zu guter letzt ein Tipp für Carnivoren. In Schloßberg (wieder zurück in der Südsteiermark) züchten Christa und Hans Muster ganz besonders kleine Tiere. Das heisst, eigentlich sind sie gar nicht so klein. Im Vergleich eben. Zwergzebus. Mit gut einem Meter Höhe sind die Zebus natürlich Winzlinge im Vergleich zu ihren Artgenossen. Allerdings trifft auf sie der Spruch „Klein, aber oho“ zu, denn erstens sind sie genügsam und widerstandsfähig (was die Haltung klarerweise erheblich vereinfacht). Und zweitens ist das Fleisch von unvergleichlicher Delikatesse. Muster weiß das und vermarktet (leider viel zu selten) Frischfleisch und (davon ist immer genug da): Rohschinken und Rohwürste.
Diese Tipps zur Südsteiermark sind nur eine klitzekleine Auswahl. Ein Gabelstich in ein Teller voller Spaghetti. Wenn die Gabel zu drehen beginnt, fangen am ganzen Teller die Nudeln sich zu bewegen an. Süd- und Südoststeiermark bieten bio-affinen Genussreisenden enorm viel. Man muss nur irgendwo anfangen. Der Rest kommt (fast) von allein.
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zuletzt geändert am 11.03.2024