Ruanda: Die Saubermänner Afrikas
Blitzblanke Plätze und Straßen, ein Verbot von Plastiktüten und hohe Recyclingquoten. Ruandas Umweltpolitik ist beispielhaft und regt andere Staaten des Kontinents an.
Wie auf einer Ameisenstraße zieht sich ein Strom von Menschen unter der sengenden Äquatorsonne dahin. Frauen balancieren Körbe, Stoffbündel, Kanister oder Paletten mit Softdrinks auf dem Kopf. Schwitzende Männer schieben schwer beladene Fahrräder und Handwagen, auf denen sich Bananenstauden, Getränkekisten oder Säcke mit Hirse, Maniok und Mais stapeln. Dazwischen bietet ein ganzes Heer fliegender Händler seine Waren feil. Täglich überqueren 45.000 Menschen in der Kleinstadt Gisenyi die Grenze zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. An Markttagen auf einer der beiden Seiten sind es besonders viele. „Das hier ist eine der verkehrsreichsten Grenzen Afrikas.“ Mit verschränkten Armen steht Zollinspektor Emanuel Mugabo auf dem Posten und schaut den Polizisten bei den Kontrollen zu.
Trotz des Andrangs durchsuchen die Männer und Frauen in den blauen Uniformen akribisch jedes Behältnis, tasten alle Körper ab. Gleichmütig lassen die Grenzgänger die Prozedur über sich ergehen. Kontrolliert wird auf Waffen, Drogen oder Sprengstoff. Was man an einer Landesgrenze halt so sucht, zumal wenn sie an einer unstabilen Region wie dem Osten Kongos liegt. Doch die Polizisten suchen noch nach etwas ganz anderem: Plastiktüten. Immer wieder zieht einer der Beamten eine oder mehre aus einer Tasche. Beschlagnahmt. Was drin war - ob Reis, Schuhe oder Schulhefte – muss an Ort und Stelle umgefüllt werden. Die eingezogene Plastiktüte landet in einer bereitstehenden Box, die mehrmals täglich in einem Container entleert wird. „Manchmal finden wir sogar ganze Rollen mit Plastikbeuteln, die sie versuchen über die Grenze zu bringen“, erklärt Emanuel Mugabo. „Die meisten Menschen aber halten sich längst an das Verbot, nur am Anfang gab es viele Diskussionen und Stress.“
Kleine Verstöße werden nicht bestraft. Wer aber versucht, eine größere Menge über die Grenze zu schmuggeln, muss mit einer Geldstrafe rechnen oder muss sogar für ein bis sechs Monate ins Gefängnis. „Schließlich schädigen die Plastiktüten unsere Umwelt“, sagt Emanuel Mugabo ernst. Deshalb muss auch jeder Reisende, der über den Flughafen in Ruanda einreist, mit entsprechenden Kontrollen rechnen.
Ein Verbot von Plastiktüten? In Afrika?
Was viele EU-Länder seit Jahren nicht hinbekommen, hat Ruanda bereits vor fast zehn Jahren umgesetzt. Was die Umweltpolitik angeht, hat das zentralafrikanische Land auf dem Kontinent neue Standards gesetzt. „In unserer Hauptstadt Kigali sah es vor dem Verbot nicht anders aus, als in den meisten anderen afrikanischen Metropolen“, sagt Coletha Ruhamya, Generaldirektorin der Umweltbehörde Rwanda Environment Management Authority (REMA). Heute ist Kigali mit ihren 1,2 Millionen Einwohnern eine der saubersten Städte der Welt. Wo früher Plastiktüten in den Bäumen hingen, Müll und Unrat über die Plätze und Grünflächen wehte, sieht man heute nicht mal ein Kaugummipapier. Ähnlich sauber ist es auf dem Land und in den anderen Städten. Wer seinen Unrat auf die Straße wirft, anstatt ihn in einem der zahlreichen, nach Stoffen getrennten Mülleimer zu entsorgen, muss umgerechnet zehn Euro Strafe zahlen. In einem Land, in dem das Anfangsgehalt eines Lehrers fünfzig Euro beträgt, eine empfindliche Strafe.
„Es würde aber nicht funktionieren, wenn die Menschen das nicht freiwillig mittragen“, so Coletha Ruhamya weiter. In der Tat bejahen die meisten Bürger Ruandas das Verbot und die Sauberkeit. Sie packen sogar ein Mal im Monat mit an, beim so genannten Umuganda, und hübschen ihre Nachbarschaft auf.
Auch der Staat macht seine Hausaufgaben in Sachen Umweltschutz. Bezahlte Arbeitstrupps reinigen und pflegen den öffentlichen Raum. Man sieht sie an jeder Ecke, mit Reisigbesen und Sicherheitswesten. Und ob das Verbot von Plastiktüten von Industrie und Handel eingehalten wird, kontrollieren Inspektoren der Umweltbehörde regelmäßig. „Manchmal schreiten wir auch aufgrund einer Anzeige ein.“ Samson Twiringire betritt einen Supermarkt durch einen kleinen Seiteneingang. Wie ein Kunde schlendert der Inspekteur durch die Gänge. Die Regale sind prall gefüllt. Auch mit PET Flaschen oder in Plastik verschweißtem Spielzeug Made in China. Das zeigt die Grenzen des Verbotes. Ruanda muss Handelsverträge einhalten und kann als kleines Land mit nur 12 Millionen Einwohnern wenig Druck auf Lieferanten ausüben.
Lizenzunternehmen entsorgen den Müll
Die Abfuhr und Entsorgung von Müll erledigen Lizenzunternehmen im Auftrag der lokalen Verwaltungen. In einigen Vierteln der Hauptstadt sogar getrennt nach fünf verschiedenen Stoffklassen. Eine Herausforderung. „Wir müssen die Haushalte trainieren, damit die Trennung auch klappt“, erklärt Aimable Rwanzunga von dem privaten Entsorger Coped Ltd. Das Unternehmen sammelt bei 15.500 Haushalten und Gewerbekunden in Kigali 357 Tonnen Müll pro Woche ein, trennt, entsorgt und vermarktet ihn auch. Gärtnereien und Privatkunden kaufen Kompost, den Coped aus dem hohen Anteil organischer Abfälle im Hausmüll herstellt. Das Plastik geht an Recyclingbetriebe. Einer der Hauptkunden dafür ist Wenceslas Habamungus Firma Eco Plastic. „Wir produzieren 135.000 Tonnen recyceltes Plastik pro Jahr: Folien für Baumschulen oder Pilzzüchter, Säcke für Reis und Getreide oder Handschuhe, Hauben und Kittel für Krankenhäuser.“
Auch Ruanda kann nicht ganz auf Plastik verzichten, kontrolliert aber, ob es wirklich nicht zu ersetzen ist. Recyceltes Material erhält den Vorzug. Das ist gut für Eco Plastic. Vor sieben Jahren arbeiteten in der Fabrik fünfzehn Kräfte, heute sind es 150. „Zurzeit bauen wir gerade an einer Erweiterung des Betriebes.“ Wenceslas Habamungu zeigt auf die Baustelle der neuen Halle.
Unter einem Blechdach daneben waschen Arbeiterinnen Plastikfolien in ausrangierten Badewannen mit Seifenlauge. Anschließend hängen sie die bunten Fetzen auf Leinen aus Draht, wo sie flatternd im Wind trocknen. „Nach sechs Stunden können wir sie abnehmen, dann werden sie nach Farben sortiert“, erklärt Habamungu. Anschließend schreddern, schmelzen, formen und stanzen Maschinen das Material.
Der rührige Unternehmer hat das Richtige zur richtigen Zeit getan. „Als das Verbot in Kraft trat, wusste niemand, wohin mit dem ganzen beschlagnahmten und gesammelten Materialien. Also musste eine Lösung her“, sagt er. So einfach kann das sein.
Autor: Klaus Sieg
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zuletzt geändert am 18.11.2022