Entschleunigung beginnt im Kopf
Es war wieder einmal so weit: die Batterien leer, der Bedarf nach ein paar Tagen Erholung unendlich groß. Regelmäßig zieht es uns dann in eine Therme. Dieses Mal nach Bad Blumau.
Noch vor wenigen Jahren hätte das so ausgesehen: Frühstück, Koffer packen, rein ins Auto und zügig auf der Autobahn der Erholung entgegenbrausen. Vor drei, vier Jahren haben wir dann in unserem Mindset einen Schalter umgelegt. Heute beginnt die Entschleunigung bei der Abfahrt: Koffer sind gepackt, Taxi zum Bahnhof bestellt. Der Zug bringt uns nach Bad Blumau.
Fast vier Stunden dauert die Fahrt von der Wohnungstür bis zur Hotelrezeption. Mit dem Auto hätten wir das locker in der halben Zeit geschafft. Aber was war nun gleich das Ziel der Reise. Erholung? Entspannung? Oder möglichst schnell am Ziel zu sein, quasi der Entschleunigung entgegenzurasen?
Zwischen St. Pölten und Meidling (ca. 20 Minuten) und zwischen Meidling und Wiener Neustadt (ca. 25 Minuten) gibt es WLAN im Zug. Nachrichten lesen, die Mailbox abrufen, ein paar Musikvideos – die Zeit verfliegt. Auf der Strecke von Wiener Neustadt nach Bad Blumau (knapp zwei Stunden) verlassen wir das Hochleistungsnetz der ÖBB - was für eine Parallele zu dem, wie es uns gerade geht! Ich beginne ein Buch zu lesen. Zwecklos! Die aufgestaute Müdigkeit lässt es nicht zu. Die Zeilen verschwimmen und der Text vermischt sich mit Tagträumen. Ich ergebe mich und schlafe eine knappe Stunde. Den Rest der Fahrt schaue ich der Landschaft zu, die am Fenster vorbeizieht.
Bahnhof Bad Blumau ist eine Haltestelle in idyllischer Umgebung. Auf dem Hügel rechts der Bahn ist die goldene Kuppel des Rogner Bad Blumau hinter den Bäumen zu erkennen. Wir wissen, dass es nur etwa einen Kilometer weit ist, eine wunderbare Abwechslung zum langen Sitzen. Nur der Koffer rumpelt ein wenig am schottrigen Weg.
Für die Heimfahrt nutzen wir den kostenlosen Shuttledienst des Hotels zum Bahnhof, denn es schüttet in Strömen. Wir sind die einzigen Gäste, die zum Zug wollen. Der Chauffeur, Franz Wagner, ist seit Beginn des Rogner Bad Blumau dabei. Stolz erzählt er, dass er schon beim Bau mitgearbeitet hat, wie ihn Meister Hundertwasser genau dort, bei „seinen“ Säulen in der Speis instruiert hat und natürlich die unvergessliche Szene, wo er lange nicht bemerkt hat, dass ihm der Meister bei der Arbeit über die Schulter schaut. Irgendwie ist die Anlage auch sein Kunstwerk, ein sehr wichtiger Teil seines Lebens.
Franz Wagner war eine von vielen schönen Begegnungen unterwegs. Da war der extrem freundliche Schaffner – „machen Sie es sich ruhig einmal bequem, wegen der Fahrkarten komme ich dann später vorbei“ – der bei jeder Haltestelle betont hat, dass der Zug pünktlich ist. Das zufällige Treffen beim Umsteigen am Bahnhof Meidling mit einem ehemaligen Kollegen, der gerade mit seiner Frau nach Korsika aufbricht und auf den Nachtzug nach La Spezia wartet. Und das letzte Stück des Weges nach St. Pölten treffen wir einen alten Bekannten, der sich leidenschaftlich für Tauschkreise und regionale Währungssysteme einsetzt.
Tiefenentspannt in St. Pölten ankommen, zieht es uns noch nicht nach Hause. In Gernots Food Art Galerie findet unser Kurzurlaub einen würdigen kulinarischen Ausklang.
Good News
Die Statistik Austria vermeldete für 2022 einen neuen Rekord bei Zugreisen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben letztes Jahr 25,29 Mio. Urlaubs- und Geschäftsreisen unternommen – das ist mehr als vor Corona. Der Anteil der Bahnreisen stieg auf 15,1 Prozent, und das ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2006.
Noch ein Entschleunigungstipp
Wenn Sie doch mit dem Auto anreisen, weil es halt mit dem Zug nicht so einfach ist: Mit Tempo 100 auf der Autobahn kommen Sie ebenfalls in einen Entschleunigungsmodus, sparen Sprit und schützen damit auch ein wenig das Klima.
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zuletzt geändert am 29.05.2023