Laos - von der Königsstadt zu alten Bergvölkern
Ursprüngliche Natur, geheimnisvolle Bergdörfer, mythische Tempel - Laos gleicht einer Insel der Ruhe im Meer einer hektischen Welt. Bescheidene Lebensweise trifft auf spirituellen Reichtum, alte Traditionen öffnen sich behutsam dem Tourismus.
Trocken knirscht die Erde unter den Wanderschuhen. Der Staub wirbelt um die Hosenbeine, mischt sich mit dem Schweiß der Anstrengung im Gesicht. „Nur mehr zwei kurze Anstiege, dann sind wir da,“ lächelt Phit, unser Guide auf der Zweitages-Tour in das Hinterland von Luang Prabang. „Nur zwei Anstiege, die wir Laoten auch als solche bezeichnen würden, das hier zählt nicht dazu.“ Amüsiert gleitet er lautlos wie eine Wildkatze über Stock und Stein, während wir keuchend durch den Wald stolpern. Im Gegensatz zu uns ist er an das Berggehen gewöhnt. Laos ist ein gebirgiges Land, in dem es keine Eisenbahn und kaum ausgebaute Straßen gibt. Will man zu den Dörfern der Bergvölker, bleiben nur die schmalen Fußpfade durch einsame Natur.
Auf der stundenlangen Wanderung begegnen uns nur wenige Menschen. Ein Bauer zieht ein junges Wildschwein an einem Strick hinter sich her. Ein betagtes Ehepaar in der schwarzen Tracht der Khamu hält auf dem Weg zur Hochzeit ihres Sohnes eine kurze Rast. Der einstige Urwald ist einem Sekundärwald gewichen. Die junge Vegetation gibt den Blick frei auf die Landschaft, auf Hügel und Berge in allen Formen und Grünschattierungen - eine endlose Weite. Über dem Wald liegt eine ungewohnte Stille. Eine lautlose Landschaft, die uns Europäern das ewige Pochen der Gedanken in unseren Köpfen bewusst werden lässt. Nicht einmal Vogelgezwitscher ist zu hören.
Zu Besuch bei den Khamu
Die Sonne senkt sich hinter den Bergkuppen, taucht die Landschaft in ein warmes Rot. Mit Holzstangen eingezäunte Gemüsegärtchen künden ein Dorf an. Kleine Hütten aus Holz und Bambus, teilweise auf Pfählen errichtet, eine Schule, ein Fußballplatz. Hier leben die Khamu, eine von etwa 50 Ethnien des Landes.
Während der Lehrer mit den Kindern um den Ball balgt, hält eine australische Touristin eine Englischstunde. Jeder Vorbeikommende wird als willkommener Gesprächspartner in den Unterricht eingeladen. Einfach gezimmerte Tische, zerkaute Bleistifte, zerwutzelte Hefte – zwanzig Kinder begrüßen uns im Chor mit “Sabai dii”, neugierig darauf, was wohl diese Ankömmlinge Neues bringen.
Die Errungenschaften der Elektrizität
Zwischen den Hütten und Pfahlbauten des Dorfes spielen kleine Kinder, schnüffeln schwarze Schweine nach Essbarem, drehen Hunde ihre Runden. Ein junger Mann repariert die Holztür seines Hauses, eine Frau breitet Pflanzenteile zum Trocknen aus, aus denen sie später Besen binden wird. Mit Einbruch der Dunkelheit versammeln sich die Dorfbewohner um ein Feuer auf dem Hauptplatz, in dessen Lichtschein sie letzte Arbeiten erledigen.
Ein selbstbewusstes junges Mädchen im langen rotgemusterten Rock führt uns ins dörfliche "Hotel", eine Hütte aus Holz und geflochtenem Bambus, auf einem Holzpfahl prangt eine Satelitenantenne! Weil unsere Gastgeberfamilie Reisende beherbergt, wurde ihr vor kurzem die Anschaffung eines Stromaggregates ermöglicht. Neben einigen Energiesparlampen, die an den Stromkabeln von der Decke hängen, gibt es einen Fernseher. So kommen die Verlockungen der weiten Welt in das kleine Dorf, in dem gerade erst vor einem Jahr die ersten Toiletten errichtet wurden. Zum Hauptabendfilm finden sich die Dorfbewohner ein, schleppen Stühle herbei oder versuchen, durch die Löcher in der Wand einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen, wenn ihnen das nötige Kleingeld fehlt. Denn die geschäftstüchtige Hausherrin verlangt “Eintritt” und vermehrt damit ihr Einkommen zusätzlich. Wir sind froh, einen Anbieter fairer Reisen gewählt zu haben. Er bezahlt nicht nur die Gastgeber sondern gibt einen Teil der Einnahmen auch an die Dorfgemeinschaft weiter.
Nach dem Abendessen - Sticky rice, ein Klebreis, mit geschmorrtem Blattgemüse - klettern wir über über die Holzleiter zu den Schlaflagern. Vorhänge grenzen die am Boden liegenden Matratzen ab und schützen vor Blicken, die geflochtene Außenwand jedoch kaum vor der Kälte und den Geräuschen der Nacht. Ein weinendes Kind, die tröstenden Worte seines Vaters, das Krähen der Hähne, die sich an keine Tageszeit halten, quietschende Schweine – das alles mischt sich zu einem Konzert der Natur und des Lebens, das die dünnen Wände durchdringt, bis ein neuer Tag hereinbricht und wir unseren Tagesmarsch zurück nach Luang Prabang antreten.
Offenheit und Verständnis für die Sitten des Landes
Frühmorgens in Luang Prabang. Noch bevor es hell wird ziehen Frauen aus den umliegenden Dörfern schwer bepackt herbei, breiten Tücher entlang der Straße aus, stapeln Gemüse, spitze Paprika in kräftigem Rot, zartlila Mini-Melanzani, riesige Karotten und allerhand Getier. Da liegen sie also nun, die buntgefiederten Vögel, deren Gesang wir in den Wäldern so vermisst haben. Während die Bäuerin mit einer ersten Kundin feilscht, zieht sie aus ihrer Tasche noch ein paar tote Nagetiere, um sie ebenfalls anzubieten.
Was den empfindlichen Europäer mit Abneigung und Wehmut erfüllt, ist für Laoten eine Frage des Überlebens. Für sie ist der Schutz der Wildtiere, wie ihn Reisende aus wohlhabenden Ländern verstehen, eine lächerliche Marotte. Sie essen alles, Raten, Eichhörnchen, Schlangen und Vögel – mit viel Gemüse, versteht sich.
Trotz intensiver Jagd und Wilderei ist Laos reich an verschiedenen Tierarten, die vor allem in den schwer zugänglichen Urwäldern und Schluchten an der Grenze zu Vietnam einen geschützten Lebensraum finden. Hier konnten sich seltene Großkatzen, wie Nebelpanther, Marmorkatzen, Tiger und viele Vogelarten den Blicken der Forscher entziehen. So nutzen auch die Wissenschaftler lokale Märkte als ergiebige Fundgrube für unbekannte Arten.
In Luang Prabang liegt alle Schönheit im Moment
Gepflegte Wohnhäuser, liebevoll mit viel Holz gestaltet, aus Blumenkästen ragen farbenprächtige Orchideen, Palmen breiten sich wie Schirme schützend über die Dächer. Und immer wieder Tempel, kunstvoll mit Buddhastatuen, Nagas – den berühmten Wasserschlangen, Malereien und Mosaiken geschmückt. Über 30 sollen es sein. Bauten im europäischen Stil aus 60 Jahren französischer Kolonialherrschaft fügen sich harmonisch neben die alte Tempelarchitektur. Mit den Bergen im Hintergrund schmiegt sich Luang Prabang an den Mekong, den mächtigen braunen Strom, der im Hochland Tibets entspringt und Laos auf 1.900 Kilometern durchfließt. In der Regenzeit überflutet sein Wasser die Ufer und lässt fruchtbare Erde zurück, auf der in sorgsam abgesteckten Gärtchen Bohnen, Mais, Salat und anderen Gemüse gedeihen.
In einer der improvisierten Bars am Flussufer, bei einem „Beer Lao“, lässt sich am besten jede irdische Hast vergessen. Es ist dieses weiche, fast unwirklich scheinende Licht der Abendstunde, eine Ruhe, welche über der ganzen Stadt liegt, die selbst den gestressten Europäer erfasst.
Noch gilt das geheimnisvolle Land als Insidertipp. Doch neben den traditionellen Garküchen finden sich bereits französische Cafes und feine Restaurants, neben den Privatzimmern und Gästehäusern komfortable Hotels ausländischer Betreiber.
Reisende und Autorin: Annemarie Herzog
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zuletzt geändert am 09.01.2017