Wie finde ich ein gutes Wirtshaus?
Egal, ob man ein Wirtshaus für eine Familienfeier sucht, den/die Liebste(n) zum Essen ausführen will oder einfach nur auf der Durchfahrt ist und der Magen knurrt. Die Suche und Auswahl eines guten Wirtshauses ist nicht so einfach. Hier ein paar Anhaltspunkte, damit es trotzdem klappt.
Prinzipiell unentscheidbare Fragen sind Fragen, für die es keine allgemeingültige Antwort gibt. Jedenfalls nicht so eindeutige wie etwa auf die Frage „Wie heisst der höchste Berg Österreichs?“. Es gibt genau eine Antwort, und niemand, der bei Sinnen ist, zweifelt sie an. Auf andere Fragen bekommt man, wenn man sie fünf Personen stellt, fünf möglicherweise völlig unterschiedliche – und sich teilweise widersprechende – Antworten.
Die Frage nach einem guten Wirtshaus gehört in diese Kategorie. Ein und dasselbe Gasthaus wird von einer Vielzahl an Beobachtern wahrgenommen. Den Mitarbeitern, Stammkunden, Nachbarn, Restauranttestern und Bloggern. Außerdem von Lieferanten, Kammern und Verbänden. Und wenn es blöd hergeht auch noch vom Marktamt und von der Lebensmittelaufsicht. Vom Mitbewerb ganz zu schweigen. Aus dieser Multi-Perspektive ergibt sich ein Bild, das nicht immer frei von Widersprüchen ist. Hier ein paar Tipps und Gedanken, die vielleicht hilfreich sind, eine gute Wirtin oder einen guten Wirten zu finden. Aber Achtung! Es ist nur eine Perspektive. Meine Perspektive.
Das Wohl und Weh des WWW
Beginnen wir mit dem Schlimmstmöglichen. Den Bewertungen im Internet. Gleich vorweg: Finger weg! Auf der einen Seite gibt es Bewertungsportale und Plattformen wie yelp, TripAdvisor und Konsorten. Wobei TripAdvisor der schlimmste von allen ist. Warum? Dazu eine kurze Geschichte. Oobah Butler ist Brite, Journalist und bekannt für – sagen wir – extravagante Aktionen. Eine Zeit lang hat er sich sein Geld damit verdient, Restaurants auf TripAdvisor zu besseren Bewertungen zu verhelfen, indem er einfach – unter vielen, falschen Namen – fake-Berichte und Phantasie-Noten vergab (Ja, damit KANN man Geld verdienen. Und gar nicht knapp.) Es hat ihn jedenfalls auf eine Idee gebracht. Wenn es schon so einfach sei, ein Restaurant zu bewerten, obwohl man gar nicht dort war, müsste es eigentlich auch möglich sein, ein Restaurant zu bewerten, das es gar nicht gibt. Voilà. „The Shed at Dulwich“ war geboren. Es gab alles. Bilder der Gerichte (nachdem Butler aber keine Ahnung vom Kochen hat, mussten dafür Entkalkungstabs, Rasierschaum und Schuhputzcreme herhalten), Menüs und Weinkarten, klarerweise erste Bewertungen auf TripAdvisor. Um das Shed in London entstand ein regelrechter Hype. Innerhalb weniger Wochen wurde es (auf TripAdvisor) zum „besten Restaurant“ Londons. Dabei war es nur ein Hirngespinst und die Gartenlaube eines besonders lustigen Engländers. Auf Webportalen sind Restaurantbewertungen entweder fake – weil gekauft, oder unbrauchbar – weil die Bewerter eher persönliche Befindlichkeiten posten, als fundierte Kritik an der Leistung des Betriebs. Also lieber die Finger davon lassen. Der Vollständigkeit halber sei hier allerdings erwähnt, dass die Bewertungen auf den diversen Portalen für den Gastronomen durchaus nicht ohne Relevanz sind.
Auch die Gastronomie hat ihre Gelben Seiten
Das rote Buch, den Guide Michelin können wir hier vernachlässigen. Erstens deckt er eine Art von Gastronomie ab, in der sich das klassische Wirtshaus nur in Ausnahmefällen findet, zweitens ist Österreich für den Michelin so uninteressant, dass nur die Städte Wien und Salzburg berücksichtigt werden, und drittens hat der Guide im Moment sowieso das Problem, dass seine Bewertungen für Insider immer weniger nachvollziehbar werden.
Bei anderen Verlagen sieht die Sache anders aus. Der Gault&Millau zum Beispiel ist ziemlich hilfreich, wenn es darum geht, ein solides Wirtshaus zu finden. Ja, freilich, es gibt auch die 4- und bald auch 5-Hauben-Gastronomie. Das ist eine eigene Welt. Spannend, aber für unseren Zweck hier vernachlässigbar. Überhaupt ist die Bewertung selbst, also die Zahl, auf die der Betrieb reduziert wird, völlig uninteressant. Der Wert des Gault&Millau liegt vielmehr in den Texten, die die Küche und das Ambiente des Wirtshauses beschreiben. Sie sind kurz, prägnant und geben eine gute Orientierung. Die guten unter den Gault&Millau-Testern erfassen nicht nur die Ausrichtung der Küche und die Qualität der Gerichte, sondern auch den Geist des Hauses und fassen ihn in Worte. Und das hilft bei der Auswahl. Gleiches gilt aber auch für Publikationen wie den Wirtshausführer, den Slow Food jährlich herausbringt und andere Publikationen.
Klein aber fein – die Speisekarte
Aufschlussreich sind auch Blicke auf Öffnungszeiten und Speisekarte. Bei „Ganztägig warmer Küche“ sollten eigentlich alle Alarmglocken läuten. Die Wahrscheinlichkeit, hier entweder Aufgewärmtes oder – noch schlimmer – Convenience serviert zu bekommen ist überdurchschnittlich hoch. Und wenn die Speisekarte so üppig ist, dass man aus 30 Hauptspeisen oder mehr wählen kann, sieht die Sache nicht anders aus. So groß und gut organisiert kann keine Küche sein, dass derart viele Gerichte frisch zubereitet werden. Ein hoher Anteil an Fertig oder Fast-Fertig-Gerichten ist wahrscheinlich. Höchste Alarmstufe!
An dieser Stelle sei auch einmal den Gästen ins Gewissen geredet. Solides Essen kostet Geld. Ein Mittagsmenü um 8 Euro oder sogar noch weniger mit Suppe und Salat, das kann sich für den Wirt nicht ausgehen, wenn er auf frische und hochwertige Lebensmittel achtet. Da bleibt so ziemlich alles auf der Strecke, was eigentlich essentiell wäre. Respekt vor den Lebensmitteln, ihre Qualität, das Selbstbewusstsein der Gastronomen. Also, ein kurzer Appell in beide Richtungen: Liebe Wirtleute, habt bitte die Eier, für eure Gerichte das zu verlangen, was sie wert sind. Und liebe Gäste, bezahlt diesen Preis bitte auch. Beim Flatscreen und dem netflix-Abo geht es ja auch.
In dubio pro regio
Wobei – noch einmal zurück zu den Speisekarten – diese auch sehr hilfreich sind, wenn es um eine erste Einschätzung der Qualitätsphilosophie geht. Steht auf der ersten Seite so etwas wie „Wir kochen regional und saisonal“ und weist sonst nichts – auch nicht weiter hinten bei den Gerichten – darauf hin, dass das auch tatsächlich so ist, ist höchste Vorsicht geboten. Mit ‚Regionalität‘ lässt sich im Moment vieles und das sehr gut verkaufen. Das Problem dabei: sie ist ein zahnloser Tiger. Es gibt dafür weder Richtlinien noch Kontrolle. Die Branche ist sich nicht einmal darüber einig, was unter Regionalität zu verstehen ist. Der Käse vom Ziegenbauern im Nachbardorf gilt als regional. Damit er aber über die Bestellsysteme der Gastronomiegroßhändler zu ordern ist, muss er ins System „eingepflegt“ werden. Konkret bedeutet das, dass er vom LKW des Logistikers von der Sennerei abgeholt wird, ins zentrale Lager (meist am anderen Ende des Landes) gebracht und von dort wieder ins Nachbartal geliefert wird.
Gastronomen, die sich als Partner ihrer Lieferanten verstehen sind stolz auf sie und weisen auf sie hin. Entweder ganz vorne oder ganz hinten auf einer eigenen Seite. Bei manchen Betrieben geht das sogar so weit, dass den Produzenten viel Raum gegeben wird. Auch der „Landwirt des Monats“ wurde schon gesehen. DAS ist gelebte Regionalität. Sie kann auch beim Namen des Gerichts sichtbar werden. „Filet von der Zuger Forelle mit Kartoffeln vom Vetterhof“. Nur so als Beispiel.
Kennzeichnung? Transparenz? Fehlanzeige!
Einmal noch zurück zum Ruf nach Kennzeichnungspflicht. Weil es so unglaublich wichtig wäre. De facto ist es so, dass man nicht die blasseste Ahnung hat, was da am Teller liegt, wenn man ein Backhendl oder ein Wiener Schnitzel bestellt hat. Die Freiheit der Entscheidung, die im Handel mittlerweile selbstverständlich ist, fehlt in der Gastronomie völlig. Ein paar Paradebeispiele dafür: Für ei-reiche Mehlspeisen werden in der Regel die günstigsten Eier verwendet. Unmengen an Eiern verschwinden zum Beispiel im Kaiserschmarrn. Wirte, denen die Qualität ihrer Gerichte ein Anliegen ist, werden auch kommunizieren, welche Eier im Schmarrn landen. Solche, die nur den Wareneinsatz im Kopf haben – „weils eh wurscht ist und der Gast ohnehin den Unterschied nicht checkt“ – werden Eier auf Käfighaltung von irgendwo verwenden. Gleiches gilt fürs Steak, für die Paradeiser, für Wild (ganz heikles Thema) und sogar für die „saisonalen Superstars“ Spargel und Bärlauch.
Zu guter Letzt: in bio veritas
Kommen wir zu einem Punkt, der in der Gastronomie großes Entwicklungspotential hat. Dass man eine grandiose Küche auf Basis biologischer Lebensmittel anbieten kann, beweisen schon zahlreiche Gastronomen in Öko- oder Bio-Hotels. Auch bei den BiowirtInnen ist man kulinarisch bestens aufgehoben. Die Verfügbarkeit biologischer Rohstoffe ist jedenfalls längst kein Thema mehr. Die Schwierigkeit ist eher eine juristische. Die Kennzeichnung von Betrieben und/oder Gerichten ist seit Mitte 2009 sehr präzise im österreichischen Lebensmittelkodex festgelegt. Der Haken an der Sache ist, dass der Kodex eben der Kodex und kein Gesetz ist. De facto kann also jeder in der Gastronomie machen, was er will. Und dann wird ein Hotel auch einmal zum Bio-Hotel, weil die Bettwäsche aus Biobaumwolle ist. Bis es eine gesetzliche Regelung gibt, können sich Gäste auf Betriebe verlassen, die sich freiwillig der Bio-Kontrolle unterziehen. In der Regel kommunizieren diese das ebenso wie die Mitgliedschaft beim Bioverband.
Die BIO AUSTRIA-Partnerschaft oder die begehrte Tafel „Empfohlen von BIO AUSTRIA“ sehen verpflichtende Bio-Kontrollen vor. Auf die Kontrolle kann man sich verlassen. Überprüft werden bei einem Kontrollbesuch sowohl die schriftlichen Aufzeichnungen (es muss für jeden Lieferanten, für den es eine Rechnung in der Buchhaltung gibt, das entsprechende Bio-Zertifikat vorliegen), die Rezepte, die Einkaufsmenge und die Umsatzzahlen. Diese Zahlen müssen ein schlüssiges Bild ergeben. Überprüft wird das deshalb so genau, um auszuschließen, dass (zum Beispiel) zu Beginn der Saison Biofleisch eingekauft und auf die Karte gesetzt wird, ab der nächsten Bestellung aber wieder konventionelle Ware auf den Tellern landet. Bei Betrieben, die nicht 100 % auf bio umgestellt haben, werden auch die Lagerräumlichkeiten kontrolliert und darauf geachtet, dass biologische und konventionelle getrennt voneinander gelagert werden. Dabei geht es nicht um „Kontamination“, sondern vielmehr darum, dass es in der Hitze des Küchengefechts (wer Küchen kennt, weiß, dass es dort sowohl Hitze als auch Gefechte gibt) die beiden nicht irrtümlich vertauscht werden.
Qualität aber nicht bio
Wenn am Türstock die Tafel eines Verbands für Wirtshauskultur (wie etwa Niederösterreichische Wirtshauskultur, Tiroler Wirtshaus, Kultiwirte oder andere) hängt oder ein Logo darauf hinweist, kann geschmacklich nichts mehr schiefgehen. Diese Vereine halten die Wirtshauskultur hoch, achten bei den Mitgliedern auf guten Service, traditionelle Rezepte und regionale Gerichte und eine gute und angenehme Atmosphäre. Es sind meistens Gemeinschaften von Wirten, die in ihren Küchen die Klassiker der heimischen Wirtshausküche hochhalten. Wenn am Sonntag also aus der Küche ein würziger Bratenduft kommt, kann man davon ausgehen, dass man bei der Auswahl alles richtig gemacht hat. Mahlzeit.
Autor: Jürgen Schmücking
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zuletzt geändert am 11.03.2024