Blick über einen See zu den Buchenwäldern.
Foto: Christian Brandstätter

Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, Uckermark

Baumriesen und Eiszeitseen prägen die Landschaft im Nordosten Brandenburgs. Seit 2011 ist ein Abschnitt des Biosphärenreservat Schorfheide Chorin, der Buchenwald Grumsin, besonders geschützt und Teil des UNESCO Weltnaturerbes.

Angermünde liegt knapp hundert Kilometer nordöstlich von Berlin. Am Bahnhof der Kleinstadt empfängt uns Thomas Volpers. Er ist Biologe und im Reservat als Naturführer tätig. Mit dem Bus fahren wir ein kurzes Stück bis zu einer weitläufigen Pferdefarm. In DDR-Zeiten war das Anwesen eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, heute stellen Berliner*innen hier ihre Pferde ein. Hinter einem Strohballen vergnügt sich ein junger Fuchs, der sich von unserer Ankunft nicht stören lässt. „Der dürfte noch ganz unerfahren sein,“ sagt Volpers. Normalerweise bekommt man Füchse auch hier nicht zu Gesicht.

„Biosphärenreservate sind Regionen, in denen Methoden entwickelt werden, die einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen des Menschen und der Natur herstellen“ erklärt uns Herr Volpers. „Das bedeutet, dass die Wirtschaft im Biosphärenreservat so weiterentwickelt werden soll, dass Ressourcen schonend und nachhaltig genutzt werden, damit sie auch nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Von dieser Entwicklung sollen langfristig alle Einwohner des Gebietes profitieren.“

Gratwanderung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft

Im Areal der Pferdefarm startet der Genusswanderweg nach Altkünkendorf. Der erste Abschnitt auf einem Feldweg ist eher eine schweißtreibende Angelegenheit - die Sonne prallt vom Himmel und kein Schatten weit und breit.

Alte knorrige Holundersträucher am Wegesrand.
Hunderte uralte Holunderstauden wachsen entlang des Genusswanderweges. Foto: Christian Brandstätter

Rechts wachsen hunderte uralte Holundersträucher, links ein riesiges Getreidefeld. Dazwischen unsere kleine Wandergruppe - mitten in einem Konfliktfeld. „Die meisten Bauern wirtschaften konventionell“, beklagt Volpers. „Wir hätten natürlich gerne, dass sie auf bio umstellen, doch sie sind schwer zu überzeugen. Auch manche Junge wollen nicht umstellen. Sie sagen, dass sie das erst dann machen, wenn sie mehr Geld dafür bekommen.“

Volpers macht uns auf die kleinen Krater in der Landschaft aufmerksam, die überall zu sehen sind. Es sind Überreste aus der Eiszeit und hat etwas damit zu tun, dass die Eisblöcke an diesen Stellen langsamer geschmolzen sind. Tausende solcher Löcher sind heute kleine, schilfbewachsene Tümpel, die größeren sind zu stattlichen Seen geworden. Mehr als 300 sollen es sein, in fast allen kann man baden. Viele sind auch miteinander verbunden und laden zu einer Paddeltour.

Die Lacken, die hier Sölle genannt werden, bieten einen geschützten Lebensraum für Kraniche. Noch. Denn durch die zunehmende Hitze aufgrund des Klimawandels trocknen immer mehr aus und dann hat unser Freund, der Fuchs von der Pferdefarm, leichtes Spiel.

Auf den Spuren Napoleons

Wir sind auch schon ziemlich ausgetrocknet, als unser Weg nach links in eine Allee abbiegt und wir den Schatten der Bäume genießen. Dabei erzählt uns Volpers, dass wir gerade historischen Boden betreten haben. Wir sind auf der Route Napoleons auf dem Weg von Paris nach Moskau. Dieser ließ während seiner Eroberungszüge durch Europa gezielt Alleen pflanzen, damit seine Soldaten zukünftig im Sommer im Schatten marschieren konnten und im Winter den Weg wieder fanden. Einige der Baumgebilde am Wegesrand stammen ganz sicher noch aus dieser Zeit.

Es ist kurz vor Mittag, als wir bei einem alten Backsteinhaus vorbeikommen. Ein paar Tische mit Sonnenschirmen verheißen Stärkung. Die bekommen wir auch in Form von Wasser, Kaffee, Holundersaft und selbstgemachten Mehlspeisen. Doch hinter dem unscheinbaren Anwesen steckt viel mehr. 1988, also noch vor der Wende, sind Annette Tucholke und Christian Bonnet mit ihren drei Kindern hierher gezogen und haben sich in einer ehemaligen Scheune ihren Lebens- und Werkraum eingerichtet. Sie sagen, dass das damals gar nichts Einzigartiges war. Die Gegend hier hat viele Künstler*innen angezogen, ganze Dörfer wurden zu einem Mix aus Werkstätten, Musikstudios und Yogaschulen. Für Besucher ist die Galerie im Louisenhof von Anfang Mai bis Ende Oktober – ausgenommen August – jeden Samstag und Sonntag von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr geöffnet.

Annette Tucholke und Christian Bonnet.
Annette Tucholke und Christian Bonnet. Foto: Christian Brandstätter

Baumriesenwelt unter dem Schutz der UNESCO

Jetzt geht es aber wirklich hinein ins Kernstück des Biosphärenreservates, in das Weltnaturerbe Buchenwald Grumsin. Nicht ganz, denn das Zentrum des Waldes ist streng geschützt und darf nur über geführte Touren betreten werden, die man beim Tourismusverein Angermünde buchen kann. Der Genusswanderweg streift die Kernzone und bietet dennoch einen beeindruckenden Blick auf eine ganz spezielle Baumriesenwelt. „Die ältesten Bäume hier sind etwa 190 Jahre alt“, erzählt Volpers, „sie nehmen mit Ihrer Krone den vielen kleinen Baumpflänzchen das Licht und das Wasser und somit kommt kein Unterholz auf. Erst wenn der der Baum fällt, kann auf der freien Fläche neues Leben heranwachsen. Und das Totholz bietet neuen Lebensraum für Pflanzen und Tiere.“ Als Mensch kommt man sich hier im Vergleich zu diesen Riesen ziemlich klein vor.

350 höhere Pflanzenarten sind im Grumsiner Forst nachgewiesen, 17 Prozent davon stehen auf der roten Liste gefährdeter Arten. Auch die Tierwelt spiegelt die Verbindung von Wald und Wasser wider. Der Buchenwald ist Brutgebiet für vom Aussterben bedrohte Großvogelarten wie Seeadler, Kraniche, Schwarzspecht oder Schwarzstorch. Nicht zuletzt sind die Leistungen, die eine 100-jährige Buche für ihre Umwelt erbringt, enorm. Ob Kühlung, Luftfilterung oder Kohlenstoffbindung – im Klimawandel sind vitale alte Bäume starke Verbündete für Mensch und Natur.

2 riesige Buchen liegen quer über den Wanderweg.
Umgestürzte Baumriesen. Eingriffe in den natürlichen Kreislauf sind nicht erlaubt. Foto: Christian Brandstätter

So beeindruckend die Baumkronen auch sein mögen, man sollte auch den Weg im Blick behalten. Denn mehrere dieser mächtigen Stämme liegen kreuz und quer über den Wanderweg. Die Verantwortlichen des Vereines rund um das UNESCO Naturerbe legen die Satzungen sehr streng aus und erlauben auch in dieser Randzone keine menschlichen Eingriffe. Und das gilt auch für die Wanderwege. Wir können ja drüberkraxeln, für Personen mit Einschränkungen ist der Weg nicht benutzbar. „Tourismus und Naturschutz gehen halt oft nicht zusammen“, bedauert Volpers, „das Verständnis für die unterschiedlichen Anliegen muss erst wachsen.“

Raus aus dem Wald erreichen wir Altkünkendorf, von dort bringt uns der Bus wieder zurück nach Angermünde. Im Haus Uckermark am Marktplatz kann man regional hergestellte Spezialitäten kaufen. Zum Beispiel edle Brände und Liköre der Grumsiner Brennerei, die hier beheimatet ist. Einige Produkte gibt es auch in Bio-Qualität.

Mobilität

Mit dem Zug dauert es knapp eine Stunden von Berlin nach Angermünde. Von April bis Oktober startet der WelterbeBus Grumsin (Linie 497) samstags und sonntags ab 09.40 Uhr am Angermünder Bahnhofsvorplatz und bringt Sie stündlich zu den attraktivsten Wandereinstiegen entlang des UNESCO Welterbewaldes - und natürlich auch zurück. Unter der Woche fährt der Bus im Zwei-Stunden-Takt und startet erst um 10.40 Uhr.

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zuletzt geändert am 31.01.2024

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