Gerlitzen - Wunder am Weg
Neben den Schisportler*innen, die sich an diesem Samstag mit der Gerlitzen Kanzelbahn zum Pistenvergnügen den Berg hinaufbringen lassen, wirken wir mit unseren Wanderschuhen etwas fehl am Platz. Wir haben auch etwas Besonderes vor.
Links neben der Bergstation führt eine von Schnee geräumte Forststraße in den Wald. Dort wartet Martina Kircher auf unsere kleine Wandergruppe, die sie auf dem Weg zur Steinwenderhütte begleiten wird. Kircher ist Natur- und Märchenpädagogin, Bergwanderführerin und Autorin. Sie möchte uns Lust auf die Wunder der Natur machen.
Gleich zu Beginn ziehen alle ein Kärtchen mit einer Farbe. Die Aufgabe ist es nun, unterwegs etwas mit dieser Farbe in der Natur zu finden. Unmöglich denke ich mir mit meinem roten Karterl im tiefverschneiten Wald. Roswithas Anorak gilt leider nicht.
„Die Natur ist voll spannender Dinge, die entdeckt werden wollen“ erzählt Kircher. „Mit meinen Wanderungen möchte ich Lust auf die Wunder am Weg machen und neue Perspektiven eröffnen. Mein Ziel ist es, allen Lebewesen mit Wertschätzung und Respekt zu begegnen und die Kraft und Schönheit der Natur zu erleben. Das sind für mich die wahren Reichtümer unserer Zeit.“
Nach einer kurzen Wegstrecke hält Sie inne und lädt uns ein, in den schneebedeckten kleinen Fichten Figuren zu erkennen. Spielende Kinder, einen gebückten alten Mann oder einen kleinen Hund. Dann beginnt sie, ein Märchen zu erzählen, es sollte eine Fortsetzungsgeschichte werden. „Das Erzählen ist die älteste Form der Wissensvermittlung, Märchen berichten vom Leben mit all seinen Möglichkeiten“, erklärt Kircher, während wir weitergehen und gespannt sind, wie die Geschichte weitergehen wird.
Die Forststraße schlängelt sich am Nordhang der Gerlitzen dahin, der Weg ist eben und bietet immer wieder einen wunderbaren Ausblick auf die Karawanken, den Dobratsch und die Karnischen Alpen. Vom Panorama fasziniert holt uns unsere Begleiterin wieder zurück zu den naheliegenderen Dingen. Sie pflückt ein paar Flechten von einem Baum. „Schaut euch die Bäume einmal genauer an. Die tragen alle einen Bart, und das ist gut so. Denn die Flechten sind ein Zeichen für saubere Luft. Flechten wurden früher als Nahrung und als Heilmittel gebraucht.“
Urige Hütte mit phantastischem Ausblick
Nach etwa vier Kilometer und einer guten Stunde gemütlicher Wanderung kehren wir in der Steinwenderhütte ein. Es ist älteste bewirtschaftete Hütte auf der Gerlitzen und bietet einen wunderbaren Ausblick nach Villach und ins Gegendtal. Stefan Sagmeister hat das Haus 2021 übernommen und mit viel Gefühl für das traditionelle Flair restauriert. Heute bewirtschaftet er das Haus mit den Eltern, die schon in Pension sind und der Schwester, die als Küchenchefin die Gäste mit Hausmannskost verwöhnt.
Sagmeister ist von Berufs wegen eigentlich Friseur, oder in seinem Fall besser gesagt ein Barbier, was man anhand seiner Erscheinung gleich erkennen könnte. Diese Profession hat ihn bis nach Singapur geführt. Als sich die Möglichkeit bot, die Steinwenderhütte zu übernehmen, hat das so einen Sog auf ihn ausgeübt, dass er den alten Job aufgegeben hat.
Am Rückweg erzählt uns Kircher die letzten beiden Teile des Märchens. Es geht um Liebe, um das Werben der Gunst eines Mädchens, um arm und reich, um falsche Entscheidungen und die traurige Erkenntnis darüber - alles zusammen eingebettet in das immer wiederkehrende Schauspiel der Natur. Am Wegrand finde ich eine kleine Frucht, ich tippe auf eine Hagebutte, die farblich ziemlich genau zu meiner roten Karte passt. Die hat wohl ein Vogel hier fallen gelassen.
Anreise
Von Villach geht es mit der S-Bahn oder dem Bus in wenigen Minuten nach Annenheim. Zu Fuß sind es dann noch 300 bis 600 Meter zur Talstation der Gerlitzen Kanzelbahn.
Der Besuch erfolgte auf Einladung der Tourismusregion Villach.
Folge lebensart-reisen auf instagram>>>
zuletzt geändert am 29.08.2024