... nur du allein ...
Wien ist eine Reise wert. Nicht nur wegen seiner Kultur und der unvergleichlichen Kunstschätze. Jürgen Schmücking schwärmt von der Kulinarik, von besonderen Heurigen und Restaurants mit Bio.
Ich lebe in Tirol. Aber ich bin kein Tiroler. Wenn mich jemand fragt, wo ich herkomme, sage ich, dass ich Wiener bin. Auch das stimmt nicht. Ich bin in der Stahlstadt geboren und aufgewachsen. Allerdings habe ich länger in Wien als in Linz gelebt. Meine Leidenschaft für Wein und Kulinarik ist definitiv nicht in Linz entstanden. Und das hatte nicht nur mit meinem (damals) jugendlichen Alter zu tun. Ich kenne Wien und seine Weinberge, seine Beisln, seine Restaurants und seine Märkte besser als ich meine Heimatstadt kenne. Das Parkbad und die Szene-Lokale Vanilli und Alte Welt vielleicht ausgenommen. Aber das ist lange her.
Ich beginne ausnahmsweise mit dem where-to-stay-Tipp für Wien. Normalerweise ist das immer eher das Anhängsel à la „Ach ja, schlafen sollten die Leser ja auch wo.“ Das Hotel der Wahl in Wien ist das Boutiquehotel Stadthalle. Man kann natürlich auch in anderen Häusern wunderbar nächtigen, aber das Boutiquehotel Stadthalle hat doch was Überzeugendes. Erstens ist es das einzige Bio-Hotel in Wien. Im Osten. Ich glaube sogar, östlich von Salzburg. Das hat damit zu tun, dass die Bio-Hotels, also die, die unter der gemeinsamen Marke als Gesinnungs- und Vermarktungsgemeinschaft auftreten, vorwiegend im Westen versammelt sind. Also konzentriert sich auch die Marketing-Arbeit auf diese Region.
Michaela Reitterer, der Geschäftsführerin des Wiener Hotels, war das, auf gut wienerisch ‚blunzn‘. Das gemeinsame Ziel war wichtiger als irgendwelche PR- oder Marketing-Kennzahlen. Für die Gäste bedeutet das: erstklassiges Bio-Frühstück und individuell gestaltete Zimmer, geschmackvoll, mit Stil und Sinn für feinen Humor eingerichtet. CO2 – Fuß(abdrucks)fetischisten verfallen ohnehin ob der neutralen Energiebilanz in hemmungsloses Verzücken. Zudem liegt das Hotel so zentral und verkehrsgünstig, dass alle folgenden Tipps im Nullkommanix erreicht werden können.Kamineks Biohof N°5
Woran man als bioaffiner Gast in Wien klarerweise nicht vorbeikommt, ist ein Besuch in Stammersdorf. Das hat mit zwei Bio-Winzern zu tun, die sowohl in den Stammersdorfer Rieden als auch in der Stammersdorfer Kellergasse Nachbarn sind und trotzdem unterschiedlicher nicht sein können. Der eine (oder besser die einen) sind Alexandra und Oliver Kaminek und ihr Biohof N°5. Die beiden haben den Hof 2010 von ihrer (seiner) Großmutter übernommen und Rebstock für Rebstock wieder auf Vordermann gebracht. Obwohl der Schwerpunkt mittlerweile auf Wein liegt (die Weine sind lebendig, ein wenig frech und verfügen über einen hohen Trinkspaßfaktor), bauen die Kamineks auch Gemüse an, und nachdem sich am Hof auch stattliche Mangalitzaschweine durch den Boden wühlen, gibt es immer wieder sensationell spannende Wein & Schwein-Verkostungen. Einfach auf der Website nach den Terminen suchen. Zahlt sich aus.
Wieninger: der Biodynamische
Der zweite ist Fritz Wieninger. Während die Weine der Kamineks relativ neu im Spiel sind, gehen die Wieningerweine auf die Römerzeit zurück. Das ist natürlich übertrieben. In Wirklichkeit werken die Wieningers seit Beginn der zweiten Republik zurück. Gefühlt kommt das aber aufs Gleiche raus. Jedenfalls gehört Fritz Wieninger zu den Masterminds des Wiener Weins, redete maßgeblich mit, als die WienWein-Gruppe entstand. Seine Weine – seit einigen Jahren nach biodynamischen Grundlagen hergestellt – sind Zierden ihrer Art. Herausragend dabei der nuss-knackige Gemischte Satz vom Nussberg ein Machtwort in Richtung Burgund. Apropos Burgund. Das kann er auch. Pinot Noir. Grand Select. Mehr muss man gar nicht sagen.Biorestaurants sind rar
Nachdem der Wein aber eine Grundlage braucht, hier ein paar Tipps für gutes Bio-Essen in Wein. An dieser Stelle sei mir ausnahmsweise gestattet, mich für ein Lokal zu bedanken, das es leider nicht mehr gibt. Christina Rojik, vormals die Biowirtin, vormals die Weinbotschaft hat die Wirtshausschlüssel an den Nagel gehängt und in der Bio-Wirtshausszene ein klaffendes Loch hinterlassen. Den Laden dicht gemacht hat auch der 'Gschupfte Ferdl‘ in Mariahilf und Christoph Liebscher’s 'Gustl kocht'. Langsam wird es eng. Ein paar Hoffnungsschimmer gibt es schon.
Das LaFaFi zum Beispiel. Ein Bistro in Meidling, in dem sensationell und frisch gekocht wird. Und in dem es ganz grandioses Frühstück gibt. Oder die Bio-Buschenschank Obermann samt zugehörigem Bio-Weingut. So gut, dass sich sogar der Biobauer Charles bei seinem königlichen Besuch in Wien am Bio-Heurigenbuffet in Grinzing gestärkt hat.
Jetzt ist es mir doch glatt gelungen, einen schwärmerischen Text über Wien zu schreiben. Ganz ohne Grant und goldenem Wiener Herz. Das könnte ich nämlich auch.
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zuletzt geändert am 14.08.2020